Demokratieforschung für aktuelle und kommende Herausforderungen stärken

Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur (HMWK) konkretisiert sein Maßnahmenpaket im Rahmen des Sofort-Programms „11+1 für Hessen“.

„In einer Zeit, in der gesellschaftliche Polarisierung und Radikalisierung zunehmen und sich die Demokratie Angriffen ausgesetzt sieht, werden wir die Demokratieforschung deutlich stärken“, so der Hessische Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels.

Das Programm zur Demokratieforschung ist für die Dauer der gesamten Legislatur angelegt. Hervorzuheben ist ein geplantes Projekt, das deutschlandweit einmalig ist: Eine Professur zur Geschichte der Demokratisierung Deutschlands.

Demokratiegeschichte bietet große Chance

Wissenschaftsminister Gremmels: „Die deutsche Demokratiegeschichte bietet die große Chance, ihre Bedeutung für eine freiheitliche Selbstverständigung unseres Landes stärker in den Fokus zu rücken. Deutschland war immer wieder Schauplatz vielfältiger Auseinandersetzungen um die Demokratie. Nicht nur der mutige Einsatz für bürgerliche und soziale Rechte der Revolutionärinnen und Revolutionäre von 1848 findet noch zu wenig Beachtung; er zeigt beispielhaft und eindrücklich, dass die Demokratie über wenigstens zwei Jahrhunderte erstritten wurde. Die gründliche Erforschung kann gerade heute, wo die Demokratie unter Feuer steht, wichtige Orientierung bieten. Vor diesem Hintergrund wird das HMWK eine bundesweit einmalige Professur zur Geschichte der Demokratisierung Deutschlands auf den Weg bringen.“

Um das Programm bestmöglich vorzubereiten, hat das HMWK in den ersten Wochen der neuen Wahlperiode einen umfassenden Konzeptionsprozess realisiert. Dazu fand u.a. ein breit angelegter Austausch mit Expertinnen und Experten in der Demokratieforschung aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen sowie der hessischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Hessen statt.

Stimmen von außen

Dr. Reiner Becker, Leiter des Demokratiezentrums Hessen, der an dem Austausch teilnahm, stellt zum neuen Programm fest:

„Hessen hat eine mannigfaltige reiche Forschungslandschaft, die zu den Entstehungsbedingungen und Ausprägungen von Populismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Polarisierung, Verschwörungsmythen, gesellschaftlicher Radikalisierung sowie der Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Sicherung der Demokratie arbeitet. Das neue Förderprogramm wird diese Forschungslandschaft nachhaltig stärken, indem es nicht noch mehr kleinteilige Projekte fördert, sondern gezielt die Vernetzung und den Austausch der unterschiedlichen Akteure aus Forschung und Praxis stärkt und neue Kooperationen anstoßen wird. Damit wird die hessische Forschung noch anwendungsorientierter, stärker und sichtbarer.“

Die Eckpunkte

Das HMWK unterstützt Gruppen von Forschenden, die – über verschiedene Einrichtungen hinweg – kooperieren und gemeinsame Arbeiten an einem Thema der Demokratieforschung vorbereiten wollen. So sollen stabile Kooperationsbeziehungen aufgebaut werden, die in gemeinsamen Arbeiten und Projekten münden. Mit dem Ziel eine Verbundbildung zu erreichen, wird das HMWK Vernetzungsaktivitäten von Forschenden hessischer Hochschulen und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen finanzieren, die gemeinsam zu einem bestimmten Thema im Kontext der Demokratieforschung arbeiten wollen. Dazu stellt das HMWK Fördermittel zur Verfügung, um z.B. gemeinsame Workshops durchzuführen, Konzepte zu verfassen oder Tagungen zu besuchen. Auch diese Maßnahme dient der Vernetzung der hessischen Forschungslandschaft und soll u.a. von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch genutzt werden, um sich auf Anträge zur Einrichtung eines Forschungsverbundes vorzubereiten. Besonders Antisemitismus ist eine aktuelle gesellschaftliche Herausforderung, die Hessen verstärkt adressieren wird. Das HMWK wird entsprechende Forschungsvorhaben in Hessen fördern, um aus Forschungssicht einen Beitrag zu liefern.

Um die Schwerpunktbildung zu stärken und um Kooperationen auszubauen, wird das HMWK einen größeren Forschungsverbund zum Thema Demokratieforschung ausschreiben, an dem hessische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler institutionenübergreifend gemeinsam zu einem Thema von hoher analytischer oder praktischer Relevanz im Kontext der Demokratieforschung arbeiten werden. Die Auswahl des zu fördernden Verbunds erfolgt wettbewerblich. Die Laufzeit des Verbundes ist von 2025 bis 2028. 

Auf der lokalen und regionalen Ebene existieren bereits heute sehr viele Projekte und Maßnahmen im Kontext der Demokratiesicherung, die u.a. durch eine Vielzahl von Bundes-, Landes- oder EU-geförderten Programmen gefördert werden. Um die darin gewonnenen Erkenntnisse für die Forschung wissenschaftlich nutzbar machen zu können, soll die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation gefördert werden. Im Rahmen einer Ausschreibung wird das HMWK Fördermittel vergeben, um laufende Projekte wissenschaftlich zu begleiten oder zu evaluieren. Die gewonnenen Erkenntnisse (und Daten) müssen der Praxis sowie der wissenschaftlichen Gemeinschaft in geeigneter Form zugänglich gemacht werden.

Es gibt in Hessen bereits eine aktive Forschungslandschaft zum Thema Demokratie. Sie ist vielfältig und über ganz Hessen verteilt. Um den Austausch unter den verschiedenen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu fördern, wird das HMWK in diesem, wie auch in den kommenden Jahren die Forschenden aus Hessen und auch die Akteure aus der gesellschaftlichen Praxis zu einer großen Tagung zusammenbringen. Die Tagung dient der Vernetzung der hessischen Forschungslandschaft und soll von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch genutzt werden, um sich auf Anträge zur Einrichtung des Forschungsverbundes vorzubereiten.

Die deutsche Demokratiegeschichte bietet die große Chance, ihre Bedeutung für eine freiheitliche Selbstverständigung unseres Landes stärker in den Fokus zu rücken. Deutschland war immer wieder Schauplatz vielfältiger Auseinandersetzungen um die Demokratie. Nicht nur der mutige Einsatz für bürgerliche und soziale Rechte der Revolutionärinnen und Revolutionäre von 1848 findet noch zu wenig Beachtung; er zeigt beispielhaft und eindrücklich, dass die Demokratie über wenigstens zwei Jahrhunderte erstritten wurde. Die gründliche Erforschung kann gerade heute, da die Demokratie stark umkämpft ist, wichtige Orientierung bieten. Vor diesem Hintergrund wird das HMWK eine bundesweit einmalige Professur zur Geschichte der Demokratisierung Deutschlands auf den Weg bringen.

Das HMWK wird eine regelmäßige öffentliche Gesprächsreihe veranstalten, bei der hessische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Gelegenheit haben werden, ihre Forschung zur Demokratieforschung und der Demokratiesicherung einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Dabei wird der Minister aktuelle gesellschaftspolitische Fragen im direkten Austausch mit den Teilnehmenden diskutieren. 

Forschung zur Demokratiesicherung soll mehr Sichtbarkeit erhalten. So wird der Minister drei neue Förderpreise für herausragende Promotionen für Demokratieforschung vergeben, mit dem jedes Jahr vielversprechende Nachwuchsforscherinnen und -forscher aus Hessen ausgezeichnet und in ihrer weiteren wissenschaftlichen Arbeit zum Thema Demokratie unterstützt werden. Die Preise werden in einem wissenschaftsgeleiteten Verfahren vergeben. Die hessischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen können Vorschläge für Preisträgerinnen und Preisträger machen. 

Das HMWK wird die Etablierung einer kleinräumigen, repräsentativen Umfrage zur politischen Kultur in Hessen fördern. Mit einem solchen Monitor können sich verändernde Einstellungen und Meinungen der hessischen Bevölkerung empirisch beobachtet werden und dadurch wertvolle Informationen für Wissenschaft, Politik und Gesellschaft gewonnen werden. Das HMWK fördert die Erarbeitung der konzeptionellen Grundlagen für eine entsprechende repräsentative Bevölkerungsbefragung zu Demokratieakzeptanz, Demokratiezufriedenheit, Institutionenvertrauen, rechtsextreme Einstellungen etc.

Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh, Vorsitzender der Stiftung Adam von Trott, ergänzt: „Das neue Maßnahmenpaket zur Förderung der Demokratieforschung leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur Entwicklung von lebendiger Demokratie an Ort und Stelle. In der Extremismusprävention und der politischen Bildung sind wir in Hessen auf der lokalen und regionalen Ebene schon sehr aktiv. Durch das neue Programm des HMWK können laufende lokale Projekte wissenschaftlich begleitet oder evaluiert werden, sodass wir mehr darüber erfahren, welche Maßnahmen wirklich effektiv sind und warum. Dieses Wissen wird die Praxis der Demokratiesicherung einen großen Schritt voranbringen.“

Verschiedene Förderlinien

Das nun vorliegende neue Konzept zur Förderung der Demokratieforschung ist in verschiedene Förderlinien aufgeteilt und ermöglicht Forschenden, aktuell wichtige Herausforderungen für die Demokratie aufzugreifen. Es ist vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags zum Nachtragshaushalt im Jahr 2024 mit zwei Millionen Euro und in den Folgejahren mit jeweils drei Millionen Euro ausgestattet.

„Es gibt schon heute in Hessen exzellente Forschung zu Demokratiegefährdung wie auch zur Förderung von demokratischen Strukturen, die auch ein hohes Anwendungspotential bietet. Mit dem neuen Programm werden wir bestehende Lücken in der Demokratieforschung gezielt schließen und die vielfältigen Forschungsaktivitäten in Hessen besser vernetzen. Nicht zuletzt werden wir so unseren Spitzenplatz in Deutschland und international ausbauen. Damit machen wir unsere Demokratieforschung noch schlagkräftiger für die aktuellen und kommenden Herausforderungen“, so Minister Gremmels.

Maximales Rampenlicht für exzellente Forschung

Exzellente Forschung braucht maximales Rampenlicht: Deshalb schreibt das HMWK einen neuen Förderpreis für herausragende Promotionen zum Thema Demokratie aus. So sollen Jahr für Jahr vielversprechende Nachwuchsforscherinnen und -forscher ausgezeichnet und somit in ihrer weiteren wissenschaftlichen Arbeit in der Demokratieforschung unterstützt werden. Zudem wird das HMWK Forschende aus Hessen und Akteure aus der gesellschaftlichen Praxis jährlich zu einer großen Tagung zum aktuellen Stand der Demokratieforschung zusammenbringen. Im Rahmen der Förderlinie „Wissensnetzwerke“ werden zudem kleine Gruppen von Forschenden unterstützt, die – über verschiedene Einrichtungen hinweg – kooperieren und gemeinsame Arbeiten an einem Thema der Demokratieforschung vorbereiten wollen.

Fokus auf regionales und kommunales Geschehen

„Einen besonderen Fokus legen wir mit dem Programm auch auf das Geschehen auf regionaler und kommunaler Ebene. Denn hier wird Teilhabe besonders erfahrbar und Vertrauen in staatliche Institutionen in großem Maße gepflegt oder erschüttert. Mit Hilfe der Wissenschaft wollen wir diese Prozesse noch besser verstehen und aus Erfolgen und auch aus Misserfolgen lernen“, so Wissenschaftsminister Gremmels. Eine eigene Förderlinie soll ermöglichen, dass vor Ort laufende Projekte wissenschaftlich fundiert begleitet und evaluiert werden. Erkenntnisse aus diesen Projekten sollen so abgeleitet und der Forschung ebenso wie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Zudem plant Minister Gremmels eine persönliche Gesprächsreihe, bei der hessische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse vor Ort direkt mit Bürgerinnen und Bürgern teilen und diskutieren.

Die Umsetzung aller vorgenannten Programmbausteine erfolgt vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags als Haushaltsgesetzgeber zum Nachtrag 2024.

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